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Meditieren mit Waffe Jonathan Mader gehört zu Europas besten Nachwuchs-Pistolenschützen. Sein Ziel für dieses Jahr ist die Weltmeisterschaft in Südkorea. Der Weg dahin verlangt viel Disziplin. Jedes noch so kleine Detail muss stimmen. Von Karsten Tischer In einer Welt, die immer hektischer zu werden scheint, hat Jonathan Mader einen Ausgleich gefunden, der selbst auf Beobachter eine beruhigende Wirkung hat. Mader atmet lautlos, der Blick geht ins Leere. Der 18-Jährige ist ganz bei sich. Seine linke Hand wandert zum Hosenbund der schwarzen Jogginghose, die er immer bei Wettkämpfen trägt. Er steckt den Daumen oben hinein. Immer die gleiche Position, damit die Haltung stimmt. Er entkrampft noch einmal die Finger seiner rechten Hand, dehnt die kleinen und doch so wichtigen Muskeln. Seine Hand sucht den perfekten Griff. Dann fokussiert er das Ziel. Die Pistole geht nach oben – wie in Zeitlupe. Alles ist still. Ein Schuss. Wieder entspannen, aber ganz in Ruhe. „Ich muss mich nullen“ „Ich muss mich ins Gleichgewicht bringen. Mich nullen“, erzählt der junge Mann, auf dessen Gesicht sich nach der Phase der absoluten Konzentration wieder ein freundliches Lächeln breitmacht. Jonathan Mader zählt zu Europas besten Luftpistolenschützen im Nachwuchsbereich. Anfang des Jahres gewann der Neusser, der in seinem vierten Jahr am Sportgymnasium Oberhof lebt, bei der Luftdruck-EM im ungarischen Györ Bronze. Nicht allein, sondern im Team, denn bei der EM wird eine neue Wettkampfform getestet. Statt wie bisher einfach die Einzelergebnisse zusammenzuzählen, treten die Mannschaften in einem eigenen Wettbewerb an. Das Wertungssystem sei kompliziert, aber ein „Mega-Ansporn“, sagt Mader. Den Erfolg habe nicht einer für sich allein, sondern alle gemeinsam. „Man hat zu dritt das gleiche gute Gefühl.“ Im südkoreanischen Changwon wird es diese Art Glücksgefühl dann nicht mehr geben. Bei der WM im September kommt der neue Modus nicht zum Einsatz. Dann wird Mader – erfolgreiche Qualifikation im Juli vorausgesetzt – wieder ganz auf sich allein gestellt sein. Dafür erledigt er beinahe täglich seine Hausaufgaben. Als wir ihn während eines Trainings im Schießsportzentrum Suhl auf dem Friedberg treffen, liegt ein Blatt Papier auf dem kleinen Tisch neben dem Monitor, der sein Trefferbild zeigt. Mader und der Rest seiner Oberhofer Trainingsgruppe haben Aufgaben von ihren Trainern bekommen. Denn ob ein Pistolenschuss die zehn Meter entfernte, im Durchmesser knapp 16 Zentimeter große Scheibe optimal trifft, entscheiden winzige Kleinigkeiten. Auf Maders Zettel stehen Stichworte wie Abkommensanalyse, Druckverlauf und Anschlagsfindung. „Vor dem Schuss ist nach dem Schuss“, sagt er und denkt über jede abgefeuerte Patrone und die Stelle, an der sie eingeschlagen ist, nach. Wenn Mader geschossen hat, setzt er seine Waffe nicht gleich ab. Er soll nachzielen, wie es im Fachjargon heißt. „Wir sollen die Bewegung der Waffe nachvollziehen.“ Der Schütze soll sich merken, wo er den Schuss vor dem Abdrücken im Ziel gesehen hat und wo der Schuss dann tatsächlich hingegangen ist. „Wenn ich nur eine Acht schieße, muss ich auch wissen warum.“ Dafür müssen die Abläufe so identisch wie möglich abgespult werden, um die Anzahl der Abweichungen auf ein Minimum einzugrenzen. Die größte Fehlerquelle ist der eigene Körper. Er verändert sich die ganze Zeit. Ändert seine Temperatur, die Anspannung der Muskeln, den Rhythmus des Herzschlags. Hier liegt Maders Vorteil. Der 18-Jährige hat früher Modernen Fünfkampf betrieben. Eine der Disziplinen dabei ist eine Kombination aus Laufen und Schießen. Wie beim Biathlon müssen sich die Athleten von jetzt auf gleich herunterfahren, den Puls beruhigen, damit die Pistole nicht völlig unruhig hin und her wankt. Vielleicht hat der Luftpistolenschütze auch deshalb so ein ruhiges Händchen, weil er es gelernt hat, auch unter Stress und einem Puls von 100 gut zu schießen. Normal sind heute für ihn 50 bis 60 Herzschläge pro Minute. Auch für diese Ruhe muss man trainieren und sich eine „spezifische Ausdauer“, wie Mader es nennt, aneignen. Man ist nicht wirklich überrascht, als er erzählt, dass er seine Fortschritte minutiös in einem Trainingsprotokoll festhält. Auch hier sind Sportschützen detailverliebt. Jeden Tag wird festgehalten, was gemacht wurde. Damit er das nicht vergisst, hat er sich einen Wecker gestellt. Alles soll irgendwann einmal wie ein Puzzle perfekt zusammenpassen. Das Ziel ist klar: Olympia. Kommendes Jahr ist Maders letztes Juniorenjahr. Dann muss er sich für den Erwachsenen Nationalkader qualifizieren. Vorher warten noch einige andere Wettkämpfe auf den Mann vom Rhein. Unter anderem der Junioren-Weltcup in Suhl in einer Woche.
(Freies Wort vom 15.06.2018)
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